Seit dem 23. Februar 2020 ist das Rote Kreuz Tirol im Corona-Einsatz. Viele Abläufe haben sich mittlerweile eingespielt, manche müssen noch besser strukturiert werden. Ziel ist es, schrittweise zurück zur „Normalität“ zu finden.
„Als am 23. Februar ein Zug aus Italien am Brenner auf Grund eines Corona-Verdachtfalls gestoppt wurde, dachten wir zunächst, dass derartige Ereignisse unsere Herausforderungen im Rahmen der Corona-Krise darstellen werden“, sagt Andreas Karl, Leiter des Einsatzstabes beim Roten Kreuz Tirol. Die Corona-Entwicklung, welche Tirol in den darauffolgenden Wochen bis heute genommen hat, ist bekannt und hat das Rote Kreuz mit zahlreichen neuen Aufgaben bedacht.
Seit Wochen im Stabsbetrieb
Am 11. März hat das Rote Kreuz auf den Stabsbetrieb umgestellt. „Wir haben zunächst im Landesverband Tirol einen integrierten Stab hochgefahren. Dieser setzt sich aus MitarbeiterInnen des Landesverbandes Tirol, des Rettungsdienstes sowie des Landesrettungskommandos zusammen. Zudem wurden in den Bezirken Teilstäbe eingerichtet und vier Meldesammelstellen besetzt. Eine in Kufstein, eine in Innsbruck, eine in Telfs und eine im Landesverband direkt“, erläutert Karl. Ein Stabsbetrieb ist für die Bewältigung eines Einsatzes unumgänglich, führt der stellvertretende Landesrettungskommandant, Martin Dablander, aus: „Nur so lässt sich ein Großereignis wie die Corona-Pandemie strukturiert und damit effizient abarbeiten“. Dablander ist stellvertretender Leiter des integrierten Stabes und vertritt so wie Andreas Karl das Rote Kreuz in den täglichen Sitzungen der Landeseinsatzleitung.
Komplexität und Dynamik als Herausforderung
Im Vergleich zu vielen anderen Einsätzen zeigt der Corona-Einsatz durchaus einige anspruchsvolle Besonderheiten. „Zum einen ist es die Weitläufigkeit. Es ist ein globales Einsatzgeschehen, ganz Österreich und nahezu alle Organisationen sind betroffen, ebenso alle Menschen. Das macht den Einsatz sehr komplex und erfordert tagtäglich unzählige Abstimmungsprozesse auf Bundes-, Landes- und auf lokaler Ebene“, erläutert Karl. Zum anderen verlief der Einsatz zu Beginn außerordentlich dynamisch und nimmt auch heute noch immer wieder spannende Wendungen. Das führt dazu, dass wir als Rettungsorganisation gefordert sind, sehr rasch Lösungen anzubieten“.
Schutz und Hygiene als Erfolgsfaktoren
Von Anbeginn war der Corona-Einsatz einer, der hohe Ansprüche an Hygiene und Schutzmaßnahmen gestellt hat. Für Dr. Thomas Fluckinger, Chef- und Stabsarzt des Roten Kreuzes Tirol, stand der Schutz der eigenen MitarbeiterInnen und der PatientInnen immer an erster Stelle. „Gleich zu Beginn haben unser Hygienebeauftragter des Roten Kreuzes, Martin Lidl, und ich Schutz- und Hygieneprozesse entwickelt und diese mit zunehmenden Fallzahlen kontinuierlich verschärft. Auch die Hygienebedingungen in den Wachen wurden verbindlich definiert, auf die gründliche Flächendesinfektion der Rettungsmittel höchstes Augenmerk gelegt. Das primäre Ziel war es, die MitarbeiterInnen im Rettungsdienst gesund zu erhalten und dies ist uns weitgehend sehr gut gelungen. So ist es bisher zu keiner Zeit zu kritischen MitarbeiterInnenausfällen gekommen“. Hygiene und Schutz, so Fluckinger, seien erfolgsbestimmende Faktoren bei der Eindämmung der Pandemie. Gewährleistet werden können diese durch die Bereitstellung von ausreichend Materialien, die auch den Qualitätsstandards entsprechen. „Ich bin Befürworter einer Lösung, die uns weitgehend unabhängig macht von Importen von Materialien, deren Qualität unzureichend sein kann“, sagt der Chefarzt.
Materialien derzeit vorhanden
Ebenfalls von Anfang an anspruchsvoll gestaltete sich die Materiallogistik. Schutzmasken, Schürzen, Handschuhe oder Desinfektionsmittel werden in sehr hohen Mengen benötigt, insbesondere im Bereich der Masken kam es zu Engpässen. Das Rote Kreuz ist mit Unterstützung der Feuerwehr und der Bergrettung im Auftrag des Landes Tirol für die Lagerhaltung, Kommissionierung und Auslieferung der Materialien für fast 2.000 Endkunden zuständig. „Die Lagerbestände sind derzeit gut“, sagt der stellvertretende Einsatzleiter, Martin Dablander. „Auch die Kommissionierung läuft gut, allerdings müssen Teile des Beschaffungsweges noch besser durchdacht werden und reibungsloser ablaufen, bevor man von einer langfristig guten Lösung sprechen kann“.
Rettungsdienst mit geänderten Schwerpunkten
Der Rettungsdienst in Tirol ist flächendeckend gesichert. Die Zahl der Krankentransporte sowie Notfalleinsätze ist in den letzten Wochen im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen. „Unsere MitarbeiterInnen konnten so gut für Screenings abgestellt werden und waren natürlich stark in den Bereich der COVID-19 PatientInnentransporte involviert“, sagt Andreas Karl. Mit der Lockerung der Ausgangsbestimmungen stiegen die Einsätze leicht an. Karl: „Wir rücken wieder öfter zur Versorgung von Menschen aus, die einen Freizeitunfall hatten.“ Auch das derzeit massive Brandgeschehen in ganz Tirol lässt die Einsatzbilanz beim Roten Kreuz steigen.
Zurück zur Normalität
Mit zunehmender Einsatzdauer festigen sich die Strukturen und werden Abläufe klarer. „So manches läuft routiniert und geregelt ab“, ziehen die Rotkreuz-Einsatzleiter und der Stabsarzt Zwischenbilanz. Doch Karl, Dablander und Fluckinger gehen davon aus, dass der Einsatz noch nicht so bald beendet sein wird. Im Gegenteil: „Wir rechnen mit weiteren Aufgaben für das Rote Kreuz, wie beispielsweise mit der Durchführung von flächendeckenden Screenings, oder mit weiteren Adaptierungen bei den Schutz- und Hygienemaßnahmen. Dennoch versuchen alle drei, den Einsatz in eine gewisse Tagesnormalität zu führen. Ob dies gelingt, wird wesentlich davon abhängig sein, ob Tirol in Sachen Corona bereits „über den Berg ist“, oder es nochmals zu einer Verschärfung der Lage kommen wird.